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Lernbareinheit 0: Einführung in den Lernbarkurs

Transkript des Screencast, verantwortliche Autorin: Christiane Thompson

 

Willkommen zu dieser kurzen Präsentation, mit der wir Ihnen den Begriff der akademischen Redefreiheit nahebringen wollen. Unser Projekt trägt den Titel Akademische Redefreiheit im universitären Bildungsraum und ist ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördertes Forschungsprojekt, das sich mit den Rahmungen und Bedingungen freier Rede an Universitäten befasst. Die Förderlaufzeit des Projekts endet im Jahr 2024.

 

Was sind die zentralen Fragen des Projekts? In unserer Forschung hat uns interessiert, wie im Diskurs von Universitäten und über Universitäten akademische Redefreiheit umschrieben und legitimiert wird: Wie werden Grenzziehungen vorgenommen dessen, was an einer Universität zum Thema werden kann und wie wird dies gerechtfertigt? Wir arbeiten in diesem Projekt mit verschiedenen empirischen Daten. Wir haben 22 Interviews geführt: mit Hochschulmitgliedern und weiteren Personen, die einen Bezug zum Thema der akademischen Redefreiheit haben. Des Weiteren haben wir Dokumente vor allem aus dem Zeitraum von 2015 und 2022 gesammelt, die sich mit dem Thema der Wissenschaftsfreiheit beziehungsweise der akademischen Redefreiheit befassen. Ziel unserer Forschungsarbeit ist die aktuelle Diskurslage zur Freiheit der Wissenschaft zu erforschen und damit auch ein Beitrag zur weiteren Entwicklung des Diskurses und damit auch zur akademischen Rede an Universitäten zu leisten.

 

In der öffentlichen Diskussion ist der zentral genutzte Begriff der der Wissenschaftsfreiheit. Er bildet den Oberbegriff und den Leitbegriff, wenn es um die Freiheit von Wissenschaft und die auf sie bezogenen Aufgaben in Forschung und Lehre geht. Die Wissenschaftsfreiheit ist im Grundgesetz der Bundesrepublik im Art. 5 Absatz 3C festgeschrieben. Dort heißt es: Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehrer entbindet nicht von der Treue zur Verfassung. Die hier formulierte grundrechtliche Garantie richtet sich auf den Schutz vor staatlichen Eingriffen. Gemeint ist: Wissenschaftliche Forschung und Lehre sollen ungehindert stattfinden. Sie sind demnach nicht obrigkeitlichen Instanzen oder Autoritäten unterworfen. Also: Wissenschaftler:innen gestalten ihre Forschung und Lehre nach eigenem Ermessen entlang wissenschaftlicher und fachdisziplinärer Standards. Ebenso ist damit festgehalten: eine Absicherung vor einer Einflussnahme von außen. Die Wissenschaft darf nicht von externen Akteuren abhängig sein. Das bedeutet unter anderem, dass bei jeglicher finanzieller Unterstützung von außen kein Eingriff in den wissenschaftlichen Prozess durch wissenschaftsfremde Interessen erfolgen kann. Die grundrechtliche Garantie bezieht sich last but not least auch darauf, dass der Staat jene Rahmenbedingungen herstellt und sichert, die es Wissenschaftler:innen ermöglicht, ihre Forschungs- und Lehraufträge zu erfüllen. Das bezieht sich insbesondere auf eine angemessene finanzielle Grundausstattung.

 

Wir sehen: Der Begriff der Wissenschaftsfreiheit stellt sehr stark auf eine rechtliche Perspektive ab – mit Betonung ihrer unumstrittenen Bedeutung als Grundlage für eine funktionstüchtige Wissenschaft. Festhalten müssen wir nun, dass die aktuelle Diskussionslage in ihrer Vielschichtigkeit damit noch nicht erfasst ist. Zunächst: Wenn aktuell über die freie akademische Rede diskutiert wird, dann sprechen nicht nur Rechtswissenschaftler:innen miteinander. Wir haben einen universitätsübergreifenden und breiteren gesellschaftlichen Diskurs vor uns. Ein Diskurs, in dem tatsächlich auch aus dem Binnenraum von Wissenschaft über die eigene Gestaltung von Rede nachgedacht wird.

 

Wir nutzen in unserem Projekt aus diesem Grund den Begriff der akademischen Redefreiheit. Wir zeigen damit an, dass im inner- und außerakademischen Rahmen die „Freiheit der akademischen Rede“ in sehr unterschiedlicher Weise beansprucht wird. Anders gesagt: Mit dem Begriff der akademischen Redefreiheit stellen wir den Diskurs selbst unter Beobachtung. Diesen Aspekt des Begriffs möchte ich im Folgenden in dreierlei Hinsicht erläutern.

 

Da ist zunächst die praktische Ausgestaltung. Akademische Rede erfolgt nicht frei flottierend; sie ist Bestandteil eines wissenschaftlichen Austauschs, der vollzogen werden muss, zum Beispiel in einer Seminarsitzung oder auch in einer hochschulöffentlichen Vortragsveranstaltung. Alle diese Veranstaltungen müssen geplant und ausgestaltet werden – dahingehend, wem wann das Wort – und wie lange – zukommt. In der Veranstaltung wird dann miteinander gesprochen und interagiert, um das Thema angemessen zu bearbeiten, und es wird reagiert und schließlich auch bilanziert. Überall, wo Menschen miteinander ins Gespräch kommen und zunächst nicht festgelegt ist, was es inhaltlich zu einer Sache zu sagen gibt – und das ist in der Wissenschaft so – , kommt es auf besonders auf die praktische Ausgestaltung an. Das schließt dann auch ein: Was steht am Ende eines Austauschs undi: We geht es dann damit weiter?

 

Akademische Redefreiheit ist auch eine Frage der Organisation. – Damit ist insbesondere die Organisation in der Universität gemeint; denn Universitäten stellen komplexe Einrichtungen dar. In ihnen gibt es verschiedene Fachbereiche, Zentren, Verwaltungseinheiten, die im Zusammenspiel die verschiedenen Aufgaben der Universität erfüllen sollen: Forschung, Lehre und Third Mission. Universitäten sind Gebilde, in denen es unterschiedliche Interessen und auch unterschiedliche sogenannte Statusgruppen gibt. Mit dem Begriff der Statusgruppe bezeichnet man verschiedene Mitgliedsarten in der Universität, im Rahmen der Selbstverwaltung der Universität diese mitgestalten: Studierende, Professor:innen, wissenschaftliche und nicht-wissenschaftliche Mitarbeiter innen. Sie blicken alle sehr unterschiedlich auf die Universität, haben verschiedene Erwartungen und Interessen, die ins Verhältnis gebracht werden müssen. Dadurch, dass Universitäten komplexe Organisationen sind, gibt es ein ebensolches Geflecht von Zuständigkeiten und Verantwortungen. Das hat Einfluss darauf, wer zu welchem Zeitpunkt aufgefordert ist, in der Universität zu sprechen und auch die Regeln zu bestimmen, unter denen ein Austausch erfolgt. In einer Lehrveranstaltung beispielsweise gehört es zur Verantwortung der Lehrperson, die Interaktionen didaktisch und organisatorisch unter Einbezug der Teilnehmer:innen auszugestalten.

 

Zum Drittem und für Wissenschaft von herausragender Bedeutung. Der Begriff der akademischen Redefreiheit steht für Auseinandersetzung, Kritik und Streitbarkeit. Letztgenannte sind wesentliche Elemente bzw. Triebkraft des wissenschaftlichen Diskurses; denn die wissenschaftliche Erkenntnisarbeit ist irrtumsanfällig. Reflexion bildet ein wesentliches Moment des wissenschaftlichen Prozesses und darauf beruht der Spielraum akademischer Redefreiheit bzw. er ist auf diesen Spielraum angewiesen. Es gibt in allen wissenschaftlichen Fachdisziplinen unterschiedliche Schulen und Ansätze, die auch miteinander im Streit sind. Man kann hier an die Konflikte zwischen Wissenschaftler:innen aus Quantentheorie und Relativitätstheorie denken oder an den sogenannten Positivismusstreit in der deutschen Soziologie Anfang der 1960er Jahre. – In verschiedenen Fachdisziplinen und den verschiedenen Schulen gibt es übrigens auch unterschiedliche akademische Formen, die genutzt werden, um den Wissensbildungsprozess voranzutreiben. Wir haben es also auch mit einer Pluralität des akademischen Bestecks zu tun, mit der wissenschaftliche Erkenntnis herausgearbeitet wird. Wissenschaft ist also bestimmt von Widerrede und Streit. Und das rückt aus dem Blick, wenn man nur geordnete Prozesse der Wissenschaft vor Augen hat, also z.B. ein Experiment oder die Ausarbeitung einer wissenschaftlichen Abhandlung. Akademische Redefreiheit steht für die Herausforderung des Denkens – ja, und gerade auch des je eigenen Denkens.

 

Im Unterschied zum Ober- und Leitbegriff Wissenschaftsfreiheit, der als Fundament gedacht wird, das grundgesetzlich garantiert wird, betreten wir mit dem Begriff der akademischen Redefreiheit das Gelände, wo die akademische Rede in ihrer praktischen Ausgestaltung, ihrer Organisation in der Universität und aber auch im Hinblick auf Praktiken des Streits in den Fokus rückt. Aus den Ergebnissen unseres Projekts gesprochen: Der Begriff der akademischen Redefreiheit hat eine wichtige kommunikative Funktion: Er zeigt an, dass die Formen und der Praktiken des wissenschaftlichen Austauschs unserer Aufmerksamkeit bedürfen. Da es, mit anderen Worten, auf die Ausgestaltung ankommt, müssen wir uns anschauen, wie das gerade passiert und wie wir es besser machen können.

 

Vielen Dank für’s Zuhören und Mitdenken.